
Er nicht
Er geht nicht über die Treppe den Hang hinauf Richtung Tatort, erst wie ein Schatten, dann auftauchend aus dem Grün in den diesigen Himmel; ob es Regen gegeben hat oder noch geben wird, ist nicht zu sagen. Und die Bäume rauschen. Kurz bevor er oben ankommt, beschleunigt er nicht seinen Schritt, nimmt auch nicht zwei Stufen auf einmal und biegt zur linken Seite ab, wo ein nicht enden wollender Lattenzaun die weite Wiese des Maryon Park umfasst.
Er senkt nun nicht, um die Kamera zu richten, die er zwischen seinen Händen dreht, den Blick, und unter dem Wogen des dichten Blattwerks an den Ästen läuft er nicht von links in die Rasenfläche hinein. Er verfällt nicht in den Laufschritt und wendet sich um, ob jemand kommt, und in seinem Gesicht ist nichts von grimmiger Zielstrebigkeit zu lesen. Kein suchender Blick, kein Abtasten der Umgebung, kein Niederhocken bei dem Busch inmitten der Fläche, im sorgfältig geschnittenen Gras. Niemand hat sich vergebens an diesen Ort begeben, die Kamera resigniert auf der Erde abgestützt, und von zwei vereinzelten Zweigen an Haar und Schulter geklopft, vielleicht auch nur sachte von deren Hauch gestreift, den Blick gegen den Himmel gewandt und die rauschenden Kronen der Bäume.
Dabei hat er geglaubt, in den Bildern Evidenz für etwas gefunden zu haben. Ein System von Evidenzen. Er hat das Auge, er beherrscht die Techniken des Hinsehens, es ist seine Profession. Hinter dem Zaun, ein Gesicht. Ein Gesicht ist etwas, das sich aus weißen Bildpunkten zusammensetzt, und auch wieder in solche zerfällt. Die Frau hat etwas in ihrem Blick, das ihm Hinweise zu geben scheint. Zwischen den Schusslinien.
(AUSZUG. Nach: Matthias Meyer, OHNE TITEL, 1999/2007, nach einer Sequenz aus BLOWUP von Michelangelo Antonioni)